Kanzel Plattinger (2670 m)
Kratzberg (2454 m)

 

Gebiet Meran 2000, Sarntaler Alpen
Route Steige 3, 4 und weglos
Talort Meran (320 m)
Ausgangspunkt Bergstation Meran 2000 (1900 m)
Stützpunkt verschiedene Hütten
Aufstieg ca. 860 Hm, 2 Stunde 45 Minuten
Abstieg ca. 860 Hm, 2 Stunde 35 Minuten inkl. Besteigung des Kratzbergs
Literatur/App AV-Gebietsführer "Sarntaler Alpen", Helmuth Dumler, Bergverlag Rudolf Rother-München, 2. vollständig überarbeitete Auflage 1982, ISBN 3-7633-3362-2 (nur mehr antiquarisch zu erhalten)
Karten Tabacco 011 "Meran und Umgebung" 1:25000
Datum 23.09.2021
Begleiter alleine
Typ/Schwierigkeit W3 (schwarz) Schwierigkeitsbewertung  I - II- UIAA  Schwierigkeitsbewertung UIAA
Persönliche Bewertung  **
14 km; bereits außerhalb des Gebietes von Meran 2000; ab Missensteiner Joch wenig Wanderer; von Abzweigung weglos, im Gipfelbereich Kletterei je nach Wegführung I - II- UIAA; beim Rückweg den Kratzberg mitgenommen..   
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    Vor knapp 14 Tagen habe ich irrtümlich den Kanzel Plattinger schon einmal versucht, aber den Versuch dann abgebrochen, da das Gelände zu anspruchsvoll wurde. Heute versuche ich es nochmal. Ich habe mir aus Topokarte und der Ansicht vom Kratzbergersee eine mögliche Route zusammengestellt. 
    Wieder um 20 vor elf von der Bergstation auf Piffing los. Ich gehe auch diesmal recht schnell und überhole die übliche Horde von anderen Wanderern. Bei der Abzweigung Richtung Missensteiner Joch werden die Leute wieder weniger und ab dem Missensteiner Joch noch weniger. Der Weg zieht sich mehr als ich in Erinnerung habe, aber dann habe ich den Kratzbergersee erreicht. An diesem vorbei und noch ein Stück weiter, bis ich den Osthang des Kanzel Plattingers erreicht habe. Jetzt geht es weglos und auf Sicht nach oben. Anfangs recht steil, dann nimmt die Steilheit etwas ab. Ich kontrolliere immer wieder auf der Karte und suche mir den einfachsten Weg oder zumindest den, der mir vor Ort am einfachsten erscheint. Dann bin ich in der Einschneidung zwischen dem Gipfel und dem Kratzberg und treffe dort auf einen Steig. Der Gipfel scheint also doch ab und zu Besuch zu bekommen. Der Steig führt nach links aufwärts, verschwindet aber bald wieder, so dass ich wieder auf mich selbst gestellt bin. Dann finde ich wieder einen Weg, dem ich folge. Er führt zuerst aufwärts und dann abwärts um den Südgrat herum. Der Weg scheint in eine Senke im Südgrat zu führen und dann um einen Gendarmen herum, um schlußendlich möglicherweise zu dem Punkt zu führen, wo ich vor 13 Tagen den ersten Versuch abgebrochen habe. Scheint von hier aus nicht so schwierig zu sein. Ich kehre um und folge dem Steig in die andere Richtung. Er steigt bald an, um dann zu verschwinden. Ich sehe das Kreuz schräg ober mir und klettere auf Sicht, bis ich schlußendlich nach insgesamt fast 3 Stunden am Gipfel bin. Auf dem Kreuz ist eine Plakette mit dem Jahr 2014, wahrscheinlich dem Jahr der Aufstellung des Kreuzes. Ich raste mal aus, bevor ich einige Fotos schieße und den Übergang zur Videgger Plattenspitze sowie die Möglichkeit diese vom Anteransee aus zu besteigen, studiere. Müsste möglich sein; nicht heute, aber für einen anderen Tag. Dann steige ich ab, wobei ich immer die einfachste Möglichkeit suche, was von oben teilweise leichter ist als von unten. Bald habe ich den schwierigsten Teil hinter mir und finde den ersten Steig wieder. Ich folge diesem; er führt um die erste Erhebung im Kratzbergkamm herum und von vorne auf diese. Wahrscheinlich der Kratzberg. Dann steige ich wieder weglos weiter ab, da der Steig keine Fortsetzung hat. Möglicherweise handelt es sich bei all diesen scheinbaren Steigen nicht um vom Menschen geprägten Spuren, sondern um von Ziegen geschaffenen Wegen. Ich steige langsam ab, da der Aufstieg mit der Ketterei doch einiges an Kraft gekostet hat. Aber meine Anspannung hat nachgelassen; die Schwierigkeiten liegen hinter mir. Am Kratzbergersee raste ich und esse meinen Proviant. Jetzt fehlt mir nicht mehr so viel bis zur Seilbahn.
    Alles in allem eine Tour, wie sie mir gefällt. Einsamer Gipfel, ein bißchen Kletterei, nichts zu schwieriges, aber doch adrenalinanregend.
    Nachstehend ein paar Überlegungen zur Namensgebung der Plattenspitzen.

    Das Geheimnis der Plattenspitzen
    Meine Besteigung der Verdinser Plattenspitze und der Überschreitung des Plattingers beim Abstieg ist mein erster Kontakt mit den Plattingerspitzen im Kamm, der vom Hirzer bis zum Missensteiner Joch zieht. Am Gipfel der Verdinser Plattenspitze sieht man im Norden zwei Gipfel aufragen, die beide mit Kreuzen versehen sind. Ein Blick auf die Kompasskarte in der App Scout scheint die Lage zu klären; der erste Gipfel müsste der Hintere Plattinger sein (er ist mit Kreuz verzeichnet) und der Gipfel dahinter damit die Kanzel Plattingerspitze, obwohl laut Karte darauf kein Kreuz sein sollte. Nachdem ich beim Aufstieg zur Verdinser Plattenspitze beim Abzweig kurz unter dem Gipfel gesehen habe, dass ein Steig weiter Richtung Berg mit Kreuz führt, habe ich angenommen, dass dieser Steig eben zum Gipfel mit Kreuz führen würde. Zwei Wochen später bin ich wieder in Meran 2000 unterwegs mit dem Ziel den Hinteren Plattinger zu besteigen. An der Abzweigung zur Verdinser Plattenspitze gehe ich auf dem Steig gerade aus weiter. Der Steig wird bald immer schmäler und ausgesetzter, bis er nur mehr handbreit ist und dann ganz verschwindet. Ich gehe weglos weiter und finde immer wieder ein Stück scheinbaren Steiges. Ich suche mir den bestmöglichen Weg und finde mich schlussendlich am Fuße des Grates, der zum Gipfel mit Kreuz führt. Nachdem der erste Blick manchmal täuscht, beginne ich die ersten Felsen zu überklettern, aber bald geht es rechts und links steil bergab und es wird immer ausgesetzter. Auch der Weiterweg scheint nur schwieriger zu werden. Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste und der bessere Teil der Weisheit, also kehre ich um. Wieder am Fuß des Grates angekommen, konsultiere ich meine App. Überraschung, der Hintere Plattinger liegt schon weit hinter mir und der Gipfel vor mir muss die Kanzel Plattenspitze sein. Ich steige dann weglos zum Kratzberger See ab und kehre von da aus zurück. Zu Hause konsultiere ich das Internet, um irgendwelche Berichte über die Besteigungen der Kanzel Plattenspitze und eventuell der Videgger Plattenspitze zu finden. Aber nada, nichts. Das ist mir noch nicht untergekommen. Der einzige Hinweis ist auf das Buch von Helmut Dumler „Südtirol 2 – Gebietsführer für Wanderer und Bergsteiger durch die Gebirgswelt der Südlichen Stubaier Alpen, der Texelgruppe und der Sarntaler Alpen“, erschienen 1989 im Bergverlag Rother. Dieses Buch habe ich nicht, aber dafür den AV-Gebietsführer Sarntaler Alpen: Kleiner Führer von Helmut Dumler, 2. vollständig überarbeitete Auflage von 1982. Also wird das Büchlein hervorgekramt, aber darin finde ich weder die Videgger Plattenspitze noch die Kanzel Plattenspitze, aber dafür eine Plattenspitze (2613 m), eine Hochplattspitze (Plattinger, 2673 m) und eine Allplattspitze (Verdinser Plattenspitze, 2675 m). Etwas verwirrend, auch der Autor erkennt das an (Seite 128, „Bei diesen Gipfeln bestehen bezüglich der Nomenklatur weitgehend Unstimmigkeiten. Die hier genannten Gipfelnamen sind der Freytag-Berndt-Touristenkarte 1:100000 entnommen“). Glücklicherweise liegt dem Büchlein eine auf dieser Touristenkarte basierte Wanderkarte Sarntaler Alpen, Ausgabe 1982, bei, Karte, die ich natürlich gleich konsultiere. Und da klären sich einige Rätsel; die Plattenspitze in der Karte entspricht der Videgger Plattenspitze, die Hochplattspitze der Kanzel Plattenspitze und die Allplattspitze der Verdinser Plattenspitze. Andere Gipfel sind nicht namentlich verzeichnet. Als nächstes krame ich meine Karten hervor und vergleiche die entsprechenden Einträge. Es ergibt sich folgendes Bild:

     
    F&B 1982 F&B WKS 8 (90er Jahre) ÖLK App Scout Kompass App Scout App Kompass Pro Tabacco Blatt 11 (nach 85) Tabacco Blatt 040 (nach 2005)
    Plattenspitze (2613 m) Videgger Plattenspitze (2610) Videgger Plattenspitze (2610) Videgger Plattenspitze (2610) Videgger Plattenspitze (2610) Videgger Plattenspitze (2610) Videgger Plattenspitze (2610)
    Hochplattspitze (Plattinger, 2673 m) Kanzel Plattinger (2670 m) Kanzel Plattinger (2670 m) Kanzel Plattinger (2670 m) Kanzel Plattinger (2670 m) Kanzel Plattinger (2670 m) Kanzel Plattinger (2670 m)
    Alpplattspitze (2675 m) Verdinser Plattenspitze (2680 m) Verdinser Plattenspitze (2680 m) Verdinser Plattenspitze (2680 m) Vordere Verdinser Plattenspitz (2680 m Vorderer Verdinser Plattenspitz (2680 m Vorderer Verdinser Plattenspitz (2680 m
    Unbenannt (2615 m) Hochplattspitze (2615 m) Hochplattspitze (2615 m) Vorderer Plattinger (2615 m) Plattinger (2615 m) Hochplattspitze (2615 m) Plattinger (2615 m)
    Kratz Berg (2348 m) Kratz Berg (2348 m) Kratzberg (ohne Höhenangabe) Kratzbergspitze (2406 m) Kratzbergspitze (2406 m) Kratz Berg (2454 m) Kratzbergspitze (2454 m)
    Nicht verzeichnet Nicht verzeichnet Nicht verzeichnet Hinterer Plattinger (2660 m) Hintere Verdinser Plattenspitz (2660 m) Hinterer Verdinser Plattenspitz (2660 m) Hinterer Verdinser Plattenspitz (2660 m)
                 
    Mit Ausnahme der F&B Karte von 1982 herrscht bei der Videgger Plattenspitze größtenteils Übereinstimmung, ebenso beim Kanzel Plattinger, dann hört die Übereinstimmung auch schon auf. Die Verdinser Plattenspitze wird in 3 Karten als solche bezeichnet, in den anderen 3 als Vordere Verdinser Plattenspitze (in der &B Karte von 1982 Alpplattspitze genannt). Der Plattinger variiert von nicht benannt über Hochplattspitze bis hin zu Vorderer Plattinger; der Hintere Plattinger von nicht benannt über Hinterer Plattinger bis zu Hinterer Verdinser Plattenspitz.              
    Im Gebietsführer von Dumler sind einige Anstiege auf die in der F&B-Karte von 1982 verzeichneten Gipfel verzeichnet; aber jetzt versuche ich mit diesen Gipfelnamen nochmal etwas im Internet zu finden. Und ich werde fündig.              
    Ein Treffer ist „Geuter's Neuer Illustrirter Führer von Meran und Umgebung“ von Karl P.W. Geuter, Ausgabe 1902“; auf Seite 98 wird die Alpplattspitze erwähnt („Der ebenfalls zu den Sarnthaler Alpen gehörige Ifinger (2553 m), der südlichste Hauptgipfel der Gruppe, ist weitaus schwieriger zu gewinnen und seine Bezwingung (mit Führer) nur geübten Bergsteigern anzuraten. Anstieg vom Naifthal über Vernanu und Allfreid in 8 St. zum Gsteirer Hof (Erfrischungen, Nachtlager im Heu), von dort über den Ochsenboden und die Rotwand in 9 ½ St. zum vorderen KIeinen Ifinger. Besteigung des Hoch-Ifinger schwierig und gefährlich. Aussicht ähnlich, aber beschränkter als auf dem Hirzer, da durch diesen teilweise verdeckt. Abstieg über die in der Senkung zwischen Ifinger und der Alpplattspitze gelegenen St. Oswald-Kapelle, die Streitweider Alm und das Masulthal nach Verdins oder über die Piffinger Alm nach Hafling.“).              
    Ein weiterer Treffer verweist auf das Buch „Heini Holzer. Meine Spur, mein Leben: Grenzgänge eines Extrembergsteigers“ von 1971; darin wird eine Schiabfahrt von der Alpplattspitze über die Südwestrinne, erwähnt („Alpplattspitze, Südwestrinne, (Sarntaler Alpen): 300 m; 35 - 45 Grad, 1. Skibefahrung am 3. April mit A. Tscholl“).              
    Beide Treffer bestätigen die Diktion von Dumler. Es scheint, als ob die Bezeichnung „Alpplattspitze“ bis in die späten 80er-Jahre gebräuchlich war; dann setzt sich die Bezeichnung „Verdinser Plattenspitze“ durch. Ähnliches scheint für die Plattenspitze zu gelten, die ab den späten 80er-Jahren als „Videgger Plattenspitze“ firmiert und die Hochplattspitze, die nicht nur Namen wechselt (wird zum „Kanzel Plattinger“) als auch Position (der letzte Gipfel vor dem Missensteiner Joch wird fortan als „Plattinger“, „Hochplattspitze“ oder „Vorderer Plattinger“ bezeichnet).              
    Warum auch der kaum als eigenständiger Gipfel zu erkennende „Hintere Plattinger“ oder „Hintere Verdinser Plattenspitze“ zu einem Namen kam, ist kaum erklärlich. Ebenso wenig erklären sich die Fehler, dass die Hintere Verdinser Plattenspitze mit einem Kreuz in den Kompasskarten verzeichnet ist und der Kanzel Plattinger und die Videgger Plattenspitze nicht, während es in Wirklichkeit umgekehrt ist (Hintere Verdinser Plattenspitze weist in der Wirklichkeit kein Kreuz auf, Kanzel Plattinger und die Videgger Plattenspitze jedoch schon). Dass die beiden letzteren Gipfel ohne Kreuz in den Kompasskarten verzeichnet sind, erklärt sich aber möglicherweise durch die Tatsache, dass der Kanzel Plattinger erst seit 2014 ein Kreuz aufweist. Bei der Videgger Plattenspitze kann ich dazu nichts sagen, da ich noch nicht oben war.              
    Da in den OpenStreetMaps die Nomenklatur der neuesten Kompasskarte verwendet wird, werden sich bei der internetaffinen Generation diese Namen der Kompasskarte durchsetzen.                       

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